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 HUMANOID - Ein trauriger Sieg der Verpackung über den Inhalt

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BeitragThema: HUMANOID - Ein trauriger Sieg der Verpackung über den Inhalt   HUMANOID - Ein trauriger Sieg der Verpackung über den Inhalt Icon_minitimeFr Apr 16, 2010 12:56 am

laut.de-kritik

Ein trauriger Sieg der Verpackung über den Inhalt.
Review von Ulf Kubanke

Fest steht: Tokio Hotel sind die absoluten Superstars der deutschen Musikszene. Bereits im zarten Teenageralter haben sie die halbe Welt erobert. Außer vielleicht Modern Talking polarisierte kaum eine Band dieses Landes je derartig. Vergötternde Liebe und abgrundtiefer Hass schlagen ihnen gleichermaßen entgegen. weiterlesen
Nunmehr sind sie allesamt junge Männer und haben es verdient, ohne Voreingenommenheit - aber auch ohne Welpenschutz - anhand der musikalischen Leistungen beurteilt zu werden. Das mittlerweile dritte Album "Humanoid" steht frisch in den Regalen und es enttäuscht, so viel sei vorweggenommen, selbst die geringsten Erwartungen eines genügsamen Hörers.

Die wenigen Höhepunkte lassen sich schnell zusammenfassen: Das Trio neben Bill Kaulitz hat sich handwerklich durchaus weiterentwickelt. Instrumente und Sounds werden etwas vielseitiger eingesetzt. "Hunde" z.B. glänzt mit einem ohrwurmigen "Blue Monday"-Arrangement, das auch den verbohrtesten Hater noch auf die Tanzfläche bringt. Immerhin haben sich Tokio Hotel für die wichtige dritte Schallplatte Prominenz wie Guy Chambers (Songwriter für Robbie Williams) oder Desmond Child, den alten Veteranen des Radiorock, mit ins Boot geholt.

Das Resultat? Alles fiept und flackert spacig in bester Autotune-Plastik-SciFi-Manier - schließlich bedeutet der Albumtitel übersetzt "menschenähnlich". Indes wäre "musikähnlich" der passendere Titel gewesen. Die Tracks kranken nämlich unüberhörbar an grober Mangelhaftigkeit, und das geht schon nach wenigen Sekunden los.

"Komm" ist ein gesangliches Attentat auf die Gehörgänge. Bill Kaulitz quält sich und uns dermaßen schief durch den Song, dass man es am Ende Van Gogh gleichtun möchte. Dieser vokalistische Totalabsturz zieht sich wie ein roter Faden durch das gesamte Werk: Obwohl der Fronter eine von Natur aus sehr hohe Stimme besitzt, bleibt er konstant zu niedrig, sobald er in hohe Tonlagen zu wechseln versucht. Weil es schlicht am erforderlichen Volumen fehlt.

Die Phrasierung ist abenteuerlich und nahezu in jedem Lied schief wie die Performance eines Castingshow-Recalls des dörflichen Heimatsenders. Silbenverschluckende Nicht-Artikulation schafft da keine Hilfe. Wer den Refrain von "Sonnensystem" und "Zoom" übersteht, ohne seekrank zu werden, ist hart im Nehmen.

Dieses grundlegende Manko versucht der Frontmann mit konstantem Overacting zu kaschieren - vergeblich. Nahezu jeden Vokal dehnt der Magdeburger wie Kaugummi. Das führt live zwangsläufig dazu, dass er das Publikum anschreit und -quengelt.

Dramaturgie im Songaufbau? Fehlanzeige! Auf Albumlänge ist das ungefähr so genehm wie aggressives Betteln in der Fußgängerzone. So wie er die Geliebte in "Geisterfahrer" anmault, kann man Herrn Kaulitz nur wünschen, dass er genug Benzin für die einsame Rückfahrt im Tank hat.

Die Songs retten da nicht viel. Man muss zwar kein Rilke sein, um Poptexte zu servieren. Doch hier ist von "Dein Blick so leer / Ich kann nicht mehr" bis hin zu den typischen Herzschmerz-Reimen auf Kaffee-Werbespot-Niveau alles dabei, was man in 20 Minuten pro Song daherdichten kann. Für die Kompositionen gilt im Wesentlichen das gleiche: simpelste Strickmuster mit Melodien, die man ob der totalen Austauschbarkeit nicht hören mag - zum Glück bleiben sie aber auch nicht lang im Ohr.

Die fast schon ergreifende Schlichtheit bedeutet einen klaren Rückschritt zu alten zornigen Energiebündeln wie "Schrei". Allen finanziellen Ressourcen zum Trotz ist das hier Evolutionsverweigerung in Erwartung eines tauben Publikums. Wenn Tokio Hotel weiterhin dermaßen auf Image und Äußerlichkeiten vertrauen, dürfte sich der eingeschlagene Weg demnächst als Sackgasse erweisen. "Humanoid" jedenfalls ist ein trauriger Sieg der Verpackung über den Inhalt.
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