Bill, das Wesen vom anderen SternDer Tokio-Hotel-Sänger mit der Frisur zwischen Punk und Manga verzückt weltweit Teenager.
Keine Kunstfigur, schon immer so gewesen»: Bill Kaulitz über sich selbst.Heute Abend werden Horden von Mädchen mit schwarz geschminkten Augen, schwarz lackierten Fingernägeln und schwarz gefärbten Haaren ins Zürcher Hallenstadion pilgern. Sie werden kreischen und in Ohnmacht fallen. Und davor werden sie Schilder hochhalten, auf denen Sätze stehen wie «Bill, du bist süsser als jede Erdbeere» oder «Bill, ich liebe dich».
Bill Kaulitz, 20 Jahre alt und Frontmann der deutschen Band Tokio Hotel, die heute Abend im Hallenstadion gastiert, ist ein Phänomen. Seit seine Gruppe im Juli 2005 mit der Single «Durch den Monsun» in Deutschland und Österreich sofort auf Platz 1 der Hitparaden schoss, hat sich Tokio Hotel zu einer der erfolgreichsten Bands Deutschlands entwickelt. Und ein Ende ist nicht abzusehen; momentan ist man auf Tour, 32 Konzerte in 19 Ländern. Dass Tokio Hotel nicht die kurzlebige Teeniesensation sind, als die sie anfänglich belächelt wurden, liegt – nebst den Texten – am charismatischen Sänger Bill. Mit seinem dramatischen Make-up, der langen, meist stacheligen Mähne und den hautengen, schwarzen Kleidern sieht er aus wie ein Wesen von einem anderen Stern oder zumindest irritierend geschlechtslos.
Sogar der «New York Times» einen Artikel wert
Natürlich singt er von Liebe und Wut und Weltschmerz. Und natürlich sind das Texte, in denen sich die Teenager dieser Welt wiederfinden. Dennoch haben sich Heerscharen von Musikjournalisten den Kopf zerbrochen, was den überwältigenden Erfolg der vier Jungs aus Magdeburg ausmacht. Tokio Hotel sind längst nicht mehr nur in Deutschland populär, sie füllen europaweit die Hallen, und selbst in den USA kennt man sie. Das ist aussergewöhnlich, da Amerika für ausländische Künstler ein hartes Pflaster ist. Weder Kylie Minogue noch Robbie Williams gelang dort der Durchbruch. Tokio Hotel hingegen schon, ihr Auftritt war gar der «New York Times» einen Artikel wert. Sie polarisieren aber trotzdem. Vor allem der Sänger. Während die einen finden, die Band wirke authentisch, monieren die andere gerade deren Künstlichkeit. Man müsse sich ja nur die Schminke des Sängers ansehen.
Vermutlich stimmt beides. Bill Kaulitz sagt von sich selbst, er komme sich ohne Make-up verkleidet vor; und dennoch sei er keine Kunstfigur, er sei schon immer so gewesen, anders eben. So anders, dass der Vater ihn und seinen Zwillingsbruder Tom, den Gitarristen von Tokio Hotel, nach der Schule bisweilen von der Bushaltestelle habe abholen müssen, bewaffnet mit Baseballschläger und Hund.
Und Groupies?
Bill Kaulitz spielt mit dem Aussenseitertum, er macht nicht den Fehler, als Star normal sein zu wollen. Er bleibt unfassbar und vor allem: Er biedert sich nicht an. Und darum bemalt er seine Augen und seine Fingernägel schwarz, trägt eine Frisur, die irgendwo zwischen Punk und Manga einzuordnen ist, und lebt damit, dass sich seit den Anfängen hartnäckig die Gerüchte halten, er sei schwul. Das bestritt er früher vehement. Heute langweilt es ihn nur noch.
Dafür wird er von Karl Lagerfeld fotografiert, und das Modelabel Dsquared liess ihn im Februar als schwarzen Engel verkleidet das Defilee in Mailand eröffnen. Grundsätzlich allerdings sehnt er sich nach einer Beziehung, wie er unlängst dem «Stern» erklärte. Nach einer (einer!) Seelenverwandten. Die schnelle Nummer mit einem Groupie sei seine Sache nicht. Dass er polarisiert, findet er gut. «Das Schlimmste wäre», sagte er kürzlich, «wenn ich den Leuten egal wäre.»
source : www.bernerzeitung.ch